iuraQuest
Aus der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zur groben Fahrlässigkeit:
Die Entscheidungen sind nach Stichwörtern geordnet; um innerhalb dieser Seite nach einem Stichwort zu suchen, drücken Sie bitte "Strg+F".
Vorbemerkung: Die Feststellung der groben Fahrlässigkeit ist im Wesentlichen eine tatrichterliche Frage, d.h. eine Frage der Tatsachenfeststellung im einzelnen Fall. Damit sind die hier vorgestellten Entscheidungen geradezu Lehrbeispiele dafür, dass Verallgemeinerungen von Einzelfallentscheidungen problematisch sind. Es besteht die Gefahr, dass bei der Herleitung einer allgemeinen Aussage ausgerechnet der Umstand unberücksichtigt bleibt, der für das Gericht den Ausschlag gegeben hat.
Ein Negativ-Beispiel einer fehlerhaften Verallgemeinerung findet sich in der Postille der Deutschen Allgemeinen Versicherung, DA-direkt, Ausgabe 2/2003. Der unten geschilderte Fall des Breitreifen-Liebhabers, dem unter ganz besonderen Umständen (November+Regen+Schnee+Fahrbahnglätte+besonders breite und abgefahrene Reifen+ganz allgemein unangepasste Geschwindigkeit) grob fahrlässiges Verhalten vorgeworfen wurde, wird dort wie folgt wiedergegeben (aaO., S. 3): "Wer bei Regen mit Reifen, die gerade noch die zulässige Mindestprofiltiefe haben, mit Tempo 120 km/h über die Autobahn fährt und deshalb einen Unfall versursacht, handelt grob fahrlässig." Das ist in etwa so, als wollte man aus der Pflicht, Zündschlüssel nicht mit der Jacke in einer unbeaufsichtigten Garderobe zurückzulassen, die Verpflichtung herleiten, Tag und Nacht ein Jacke anzuziehen. Richtig müsste es heißen: "Wer bei Regen [und Schnee und erheblicher Glättegefahr] mit [besonders breiten] Reifen, die gerade noch die zulässige Mindestprofiltiefe haben, mit [selbst bei normaler Bereifung unangemessenem] Tempo 120 [bis 130] km/h über die Autobahn fährt und deshalb einen Unfall versursacht, handelt grob fahrlässig."
Allgemeine Schlüsse aus den dargestellten Entscheidungen sind also nur mit größter Vorsicht möglich.
Siehe auch Timme, MDR 2003, 1094: "Leicht kann der anschauliche Einzelfall dazu verführen, Regelungen zu formulieren, die für die vielen Normalfälle nicht recht passen wollen".
Abwasserschacht: siehe Vermieter | |
Ausweichmanöver 1: Eine Vollbremsung, um einem Fuchs auszuweichen, ist ... nicht grob fahrlässig, weil sie auch der Versicherung dient, wenn sie erfolgreich ist. ... grob fahrlässig, weil bei einem Zusammenstoß mit einem kleineren Tier kein größerer Schaden entstehen kann, bei einem Ausweichmanöver schon. iQ: ist durch das Bremsmanöver keine andere Person in Gefahr gebracht worden, stellt sich nach der Einfügung des Tierschutzes in Art. 20a GG die Frage, ob diese Entscheidung noch haltbar ist - schließlich steht der Tierschutz als Staatsziel über dem rein finanziellen Interesse der Versicherung (d.h. der Gemeinschaft der Versicherten). Jedenfalls bei einem nicht mehr ganz kleinen Tier ist also - nicht nur durch die im einzelnen unterschiedliche Spruchpraxis - die Argumentation erneut eröffnet. |
OLG Nürnberg, 8 U 1477/99
|
Ausweichmanöver 2: Wer einem Fuchsreflexartig, in einer Schreckreaktion ausweicht, handelt nicht grob fahrlässig. "Eine solche Reaktion kann auch einem sorgfältigen Fahrer unterlaufen. Dass es sich nicht um einen Reflex, sondern um ein bewusstes Fahrmanöver gehandelt hat, konnte dem Beklagten nicht nachgewiesen werden." (!) | LG Coburg, 22 O 709/00 |
Ausweichmanöver 3: Hasenjagd - Wer zwei plötzlich auf die Fahrbahn laufenden ausgewachsenen Hasen ausweicht, handelt nicht grob fahrlässig, wenn und weil die Reaktion auf das plötzliche Auftauchen zweier Hasen auf der Fahrbahn nachvollziehbar und verständlich ist. | OLG München, 10 U 5568/92 |
iQ: anders Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl. 2003, § 63, Rd. 13: "Wer aus Tierliebe einem Hasen ausweicht, verdient Zustimmung. Dabei entstehende Fahrzeugschäden gehen aber nicht zu Lasten des Versicherers." | |
Bahnübergang - Ein unbeschrankter Bahnübergang darf - bei schlechter Sicht (tief stehende Sonne) erst überquert werden, wenn sich der Fahrer zuvor zuverlässig Klarheit verschafft hat, ob der Übergang frei ist und daher passiert werden kann. Wer "im Zweifel fährt", handelt grob fahrlässig. (siehe aber Stichwort "Rotlicht 1") | OLG Frankfurt am Main, 7 U 204/98 |
Breitreifen / Verschleißgrenze: Wer mit bis zur Verschleißgrenze abgefahrenen besonders breiten Reifen im November bei nasser und teilweise schneebedeckter Fahrbahn und Glättegefahr mit einer auch für normale Bereifung unangepassten Geschwindigkeit von 120 -130 km/h fährt, handelt grob fahrlässig. Generell ist bei Breitreifen (im konkreten Fall 245er auf einem Fahrzeug der Mittelklasse) zu beachten, dass diese regelmäßig ein schlechteres Aquaplaning-Verhalten zeigen. iQ: Angepasste Fahrweise heißt bei Breitreifen also unabhängig von der Profiltiefe, dass bei Regen mit niedriger(er) Geschwindigkeit zu fahren ist. | LG Itzehoe, 3 O 153/00 |
CD-Wechsler: Wer einen im Fahrzeug eingebauten CD-Wechslerbedient, handelt nicht grob fahrlässig, wenn und weil die Bedienung (Drücken von Knöpfen) der eines herkömmlichen Autoradios entspricht. Ein Fahrzeugführer, der während der Fahrt ein solches Gerät bedient, handelt im Allgemeinen ebenso wenig grob fahrlässig wie derjenige, der ein herkömmliches Autoradio bedient. Anderes kann gelten, wenn besondere Umstände vorliegen. | OLG Hamm, 13 U 118/00 |
Durchfahrtshöhe: Wer ein Verkehrsschild übersieht, das die zulässige Durchfahrtshöhe für eine Unterführung angibt und deswegen in der Unterführung hängen bleibt, handelt nicht grob fahrlässig. | OLG München, 15 U 5773/98 |
EC-Karte 1: Wer seine EC-Karte unbeaufsichtigt im Auto liegen lässt, handelt auch dann grob fahrlässig, wenn das Auto verschlossen wird. Der unbefugte Einsatz der EC-Karte wird nämlich - entgegen den Vertragsbedingungen für EC-Karten - in erheblichem Maße erleichtert. Auszug aus den AGB für EC-Karten: "Die Karte ist mit besonderer Sorgfalt aufzubewahren... Sie darf insbesondere nicht unbeaufsichtigt im Kraftfahrzeug aufbewahrt werden, da sie ... rechtsmissbräuchlich eingesetzt werden kann." | LG Hamburg, 313 S 116/01 |
EC-Karte 2: Wer während einer 15-tägigen Abwesenheit seine EC-Karte in der Wohnung auf dem Schreibtisch in einem unverschlossenen Behältnis zwischen Briefen und Notizen, und die zugehörige PIN, zusammen mit zahlreichen anderen Papieren, in einer unverschlossenen Schublade eines Sekretärs in einem anderen Raum seiner 5-Zimmer-Wohnung aufbewahrt, handelt nicht grob fahrlässig i.S.d. AGB für EC-Karten: "Grobe Fahrlässigkeit des Karteninhabers liegt insbesondere vor, wenn - die persönliche Geheimzahl auf der EC-Karte vermerkt oder zusammen mit der EC-Karte verwahrt war (z.B. der Originalbrief, in dem die PIN dem Karteninhaber mitgeteilt wurde)." | BGH, XI ZR 42/00 |
Fensterln: Bleibt ein zu einem belebten Innenhof gelegenes Fenster im 2. Stock während einer kurzen Abwesenheit des Wohnungsinhabers angekippt lässt, ist dies auch dann nicht grob fahrlässig, wenn am Haus ein Baugerüst steht. iQ: Anders, wenn die Abwesenheit für den ganzen Tag geplant war; ein Ausschluss des Versicherungsschutzes ergibt sich allerdings mit paralleler Argumentation wie im unten geschilderten Fall des Motorrad-Diebstahls nicht notwendig | OLG Hamm 20 U 160/00 |
Feurio! - Das Brennen von Wachskerzen an Weihnachtsbaum oder Adventskranz begründet eine Brandgefahr. Es ist aber sozialadäquat und daher bei üblicher Sorgfalt zulässig. | OLG Schleswig-H, 3 U 22/97 |
Grob fahrlässig ist es aber, Kerzen mehr als 15 - 20 Minuten unbeaufsichtigt im Raum brennen zu lassen. | AG Neunkirchen, 5 C 1280/95 |
Nicht grob fahrlässig ist es, wenn ein Mann den Adventskranz anzündet, ins Schlafzimmer geht, um seine Freundin zu wecken, dort abgelenkt wird (!), länger als geplant bleibt, und die Kerzen schließlich vergisst. Es sei kein "unverzeihliches Fehlverhalten", sich durch die "Reize seiner Freundin ablenken" zu lassen. | OLG Düsseldorf, 4 U 182/98 |
Grob fahrlässig ist es auch nicht, wenn eine Mutter nach dem Anzünden der Kerzen mit ihrem Kind in einen Streit gerät, über dem sie das zunächst geplante Ausblasen der Kerzen vergisst. | OLG Oldenburg 2 U 161/99 |
Zu beachten ist auch die Länge der Kerzen auf dem Adventskranz: Verlässt eine Mutter mit ihrem Kind kurz die Wohnung, um das Weihnachtsgeschenk draußen auszuprobieren, ist dies nicht grob fahrlässig, wenn die Kerzen erst zu einem Viertel abgebrannt waren, weil dann davon auszugehen ist, dass der Kranz durch einen Durchzug Feuer gefangen habe... | OLG Düsseldorf, 4 U 49/97 |
Wer einen mit Fliesen versehenen Wohnzimmertisch hat, wohnt nicht nur in ansprechendem Ambiente, sondern handelt auch nicht grob fahrlässig, wenn er auf diesem Tisch eine Weihnachtskerze anzündet und sich dann für bis zu 15 Minuten auf die Toilette begibt (wenn die Zeit knapp wird, notfalls aufs Händewaschen verzichten). Wer sich nicht aus der Wohnung, sondern nur aus dem Zimmer entfernt, gibt damit nicht jeden Rest an Überwachungsmöglichkeit aus der Hand. | LG Hof, 13 O 471/99 |
iQ: parallele Wertung wie bei der Aufsichtspräsenz bei Waschmaschinen (dazu unten) | |
Wer Feuerzeug und Rauchutensilien nicht vor dem Zugriff von Kindern sichert, die ihrem Alter (im Fall: 2 ½ Jahre) nach zwar schon in der Lage sind, ein Feuerzeug zu bedienen, aber noch nicht, die Gefahren richtig einzuschätzen und dementsprechend zu handeln, handelt grob fahrlässig, wenn Feuerzeug und Rauchutensilien zu einer Zeit ungesichert zugänglich sind, zu der Kinder normalerweise wach sind (im Fall zwischen 7.45 und 10.00 Uhr am Vormittag). | OLG Koblenz, 8 O 165/99 |
Frachtführer: bewusst leichtfertig i.S.d. § 435 HGB handelt ein Spediteur/Frachtführer, der keine lückenlose Ein- und Ausgangskontrolle organisiert, die verhindert, dass ein Transportgutverlust zunächst unentdeckt bleibt. | BGH, I ZR 205/01 |
Straßenglätte: siehe Schnee und Eis | |
Go-Kart-Bahn: Wer seine Fähigkeiten auf einer Go-Kart-Bahn überschätzt und eine Kurve zu schnell nimmt, deswegen schleudert und einen Unfall verursacht, handelt nicht grob fahrlässig. | AG Kerpen, 1 Schumi 6/03 (OLG Düsseldorf 22 U 114/96) |
Gutgläubiger Erwerb 1: Wenn im gefälschten Fahrzeugbrief die angeblich ausstellende Stadt falsch geschrieben (hier: 2 x Potzdam statt Potsdam) ist, der Eintrag des Datums der nächsten Hauptuntersuchung ebenso wie eine Stelle in der PLZ der Stadt des Herstellers sowie das Datum der Ausstellung des Fahrzeugscheins fehlt, handelt der Erwerber grob fahrlässig, wenn er vom Nichtberechtigten zu einem "äußerst günstigen" Preis ein Fahrzeug erwirbt (und ist deswegen nicht gutgläubig i.S.d. § 932 Abs. 2 BGB). | KG Berlin, 25 U 167/01 |
Gutgläubiger Erwerb 2: Wer ein neues Kfz von einem Vertragshändler erwirbt, handelt auch dann nicht grob fahrlässig i.S.d. §§ 932 Abs. 2 BGB, 366 Abs. 1 HGB, wenn der (noch beim Lieferanten des Händlers befindliche) Kfz-Brief nicht übergeben wird, erwirbt das Eigentum am Fahrzeug also gutgläubig vom Nichtberechtigten. | LG München I, 28 O 17818/03 |
Handbremse: Wer die Handbremse beim Parken auf abschüssiger Strecke betätigt, aber nur unzureichend fest anzieht, sodass sich das Fahrzeug später in Bewegung setzen kann, handelt nicht grob fahrlässig. | OLG Düsseldorf, 4 U 80/99 |
Handschuhfach: Ein Autofahrer, der im Handschuhfach nach einem Gegenstand sucht und dabei gegen einen Baum fährt, handelt grob fahrlässig. (siehe auch unten, Zigarette 1) | OLG Nürnberg, 8 U 3995/96 |
Hund und Katz - Wer einen Hund (oder eine Katze, also: ein Tier) im Auto befördert, hat dafür zu sorgen, dass der Hund (das Tier) den Fahrer nicht stören kann. Der Hund (das Tier) muss also z.B. angeschnallt oder durch ein Trenngitter getrennt sein. Ansonsten handelt der Fahrer grob fahrlässig. | OLG Nürnberg, 8 U 2819/96 |
Inhaberverrechnungsscheck: Ein Kaufmann handelt grob fahrlässig, wenn er einen Inhaberverrechnungsscheck von einer anderen Person als dem Schecknehmer ohne Prüfung dessen Verfügungsberechtigung entgegennimmt. Er muss beim Inhaber nachfragen, weil es im Geschäftsverkehr nicht üblich ist, Schecks zahlungshalber weiterzugeben. | BGH, XI ZR 263/99 |
Kolonne: Wer nachts mit 170 km/h auf der Autobahn in einer Kolonne fährt, zu lange nach rechts sieht, dabei nicht bemerkt, dass der Vordermann bremst und diesem deshalb auffährt, handelt grob fahrlässig. | OLG Düsseldorf, 10 U 184/01 |
Motorrad-Diebstahl: Wer sein Motorrad für 2 Tage auf einem abgelegenen öffentlichen Parkplatz abstellt, handelt grds. grob fahrlässig, verliert aber nicht notwendig seinen Versicherungsschutz, weil die Versicherung nur dann von der Leistungspflicht befreit ist, wenn das grob fahrlässige Verhalten den Diebstahl ermöglicht hat. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Maschine schon kurz nach dem Abstellen entwendet worden ist. Kann letzteres nicht ausgeschlossen werden, muss die Versicherung, die die Kausalität von grober Fahrlässigkeit und Versicherungsfall zu beweisen hat, zahlen. | OLG Karlsruhe, 12 U 15/02 |
Pannenhilfe: siehe Zündschlüssel 3 | |
Reisegepäckversicherung 1: Der Reisende muss ständig auf sein Gepäck achten und seine Koffer grds. Im Auge behalten. Wer erst nach der Rückkehr in die Wohnung bemerkt, dass ihm ein Koffer fehlt, hat grob fahrlässig gehandelt. | AG Köln, 118 C 20/99 |
Reisegepäckversicherung 2: Wer ein Gepäckstück neben sich abstellt, ermöglicht nicht grob fahrlässig dessen Diebstahl. | LG Koblenz 6 S 227/00 |
Reisegepäckversicherung 3: Fluggesellschaften handeln nicht grob fahrlässig (Organisationsverschulden), wenn sie das Reisegepäck über Transportbänder mit Selbstbedienung anstatt durch Personal gegen Vorlage eines Berechtigungsscheins oder sonstige Identifizierung des jeweiligen Eigentümers ausgeben. Zwar sei der Zugriff auf die Transportbänder und damit ein Diebstahl so leichter möglich. Die persönliche Aushändigung könne jedoch aus praktischen und organisatorischen Gründen nicht verlangt werden. iQ: das OLG Köln wollte offenbar nicht den juristischen Aufstand gegen die Macht des Faktischen wagen - ist die "Fließbandarbeit" der Reisenden doch gängige Praxis. Das dargestellte Argument der praktischen und organisatorischen Undurchführbarkeit ist übrigens eine offene Anwendung der ökonomischen Analyse des Rechts: der Verlust eines gewissen Teils des Reisegepäcks ist insgesamt betrachtet billiger als die absolute Sicherheit des Reisegepäcks, damit aus wirtschaftlicher Sicht vorzugswürdig. | OLG Köln, 11 U 16/03 |
Rotlicht 1: Wird eine Ampel durch die im Rücken des Fahrers befindliche Sonne so angestrahlt, dass für den Fahrer der falsche Eindruck entsteht, das grüne Licht leuchte heller als das rote, ist das Überfahren der roten Ampel nicht grob fahrlässig. (siehe aber Stichwort "Bahnübergang") | LG Trier, 6 O 190/98 |
Rotlicht 2: Wer die (grün geschaltete) Ampel für die Nachbarspur mit der (rot geschalteten) Ampel für die eigene Spur verwechselt und deswegen bei Rot fährt, handelt nicht grob fahrlässig, wenn der Fehler nachvollziehbar durch verkehrsbedingten Stress verursacht worden ist. | OLG Hamm, 20 U 166/99 |
Wer sich einer Kreuzung bei Rotlicht nähert, als erstes Fahrzeug seiner Richtungsspur anhält, neben sich in einem anderen Fahrzeug einen Arbeitskollegen erkennt und diesen grüßt, und sodann wenn wieder nach rechts schaut, irrtümlich "Grün" sieht und in der Meinung losfährt, das Umschalten der Ampel während des Hinüberschauens zum Arbeitskollegen verpasst zu haben, handelt nicht grob fahrlässig. | BGH, IV ZR 173/01 |
Rotlicht 3: Wer auf ein verspätetes Kommando des Beifahrers, abzubiegen, noch schnell einen Spurwechsel vornimmt, sich dabei auf die Richtungsschilder anstatt auf die Ampel konzentriert und deswegen bei rot in die Kreuzung einfährt, handelt grob fahrlässig. Dies gilt auch, wenn dem Fahrer Fahrpraxis im Großstadtverkehr fehlt. | OLG Rostock, 6 U 249/01 |
Schnee und Eis: Wer die Geschwindigkeit auf einer Bundesstraße bei schneebedeckter Fahrbahn, Schnee- und Hagelschauern sowie Dunkelheit nur (von 100) auf 90 km/h verringert, handelt grob fahrlässig. Die durch winterliche Straßenverhältnisse entstehenden Unfallgefahren liegen dermaßen auf der Hand, dass es eine elementare Erkenntnis für jeden Verkehrsteilnehmer sein muss, hierauf mit einer angepassten und deutlich reduzierten Geschwindigkeit zu reagieren. | LG Hannover, O 141/03 |
Sekundenschlaf: Nickt ein Autofahrer während der Fahrt kurz ein, ist grobe Fahrlässigkeit nicht notwendig gegeben: Ein kurzzeitiges Einschlafen ist nur dann grob fahrlässig, wenn der Fahrer vorher deutliche Anzeichen der Ermüdung festgestellt und sich durch seine Weiterfahrt bewusst darüber hinweggesetzt hat. | OLG Frankfurt am Main, 3 U 109/96 |
Stopp-Schild: Übersieht ein Autofahrer ein Stopp-Schild und fährt er deswegen ungebremst in eine vorfahrtsberechtigte Straße ein, ... ... handelt er grob fahrlässig, wenn das Stopp-Schild durch ein Vorwarnzeichen angekündigt wurde. ... handelt er nicht grob fahrlässig, wenn die Beschilderung mit einem Vorwarnzeichen erforderlich war, aber nicht erfolgt ist. | OLG Nürnberg, 8 U 307/95 OLG Nürnberg, 8 U 2423/95 |
Tiere: siehe Hund und Katz | |
Überholen 1: Wer trotz ausgeschilderter Fahrstreifenverengung mit 150 % der erlaubten Höchstgeschwindigkeit kurz vor der Verengung auf regennasser Fahrbahn noch überholt, handelt grob fahrlässig. | OLG Hamburg, 14 U 165/97 |
Überholen 2:Wer in einer (leichten) Rechtskurve zum Überholen ausschert, obwohl ihm ein vorausfahrender Bus und ein vor diesem fahrender Transporter die Sicht nach vorn einschränken, und dabei ein entgegenkommendes Fahrzeug übersieht, handelt grundsätzlich grob fahrlässig. | OLG Karlsruhe, 12 U 151/03 |
verdächtige Geräusche: Bemerkt ein Autofahrer, dass ein Gegenstand heftig gegen den Fahrzeugboden schlägt, und fährt er nach einem flüchtigen Blick unter das Fahrzeug weiter, ist der durch das Ausfließen des gesamten Motoröls eintretende Schaden grob fahrlässig verursacht. | OLG Karlsruhe, 12 U 7/97 |
Vermieter: Der Vermieter verletzt seine Vermieterpflichten grob fahrlässig, wenn er die Festigkeit des Verschlussbandes eines Abwasserschachts (allgemeiner: die Dichtheit der Abwasseranlage) nicht in regelmäßigen Abständen überprüft, obwohl er weiß, dass der Mieter in den von einem (möglichen) Wassereinbruch betroffenen Räumen wertvolle Sachen lagert (Abwasseranlagen sind besonders schadensträchtig und sind deswegen regelmäßig zu warten). | OLG Frankfurt, 24 U 131/02 |
Waschmaschine: Der unbeaufsichtigte Betrieb einer Waschmaschine (das Gleiche gilt für Spülmaschinen) ist erst grob fahrlässig, wenn die Abwesenheit 2 - 3 Stunden überschreitet. Der genannte Zeitraum entspricht etwa der üblichen Maschinenlaufzeit. Nach heutigem Stand der Technik von Maschinen und Anschlüssen kann es nicht als grob fahrlässig angesehen werden, wenn eine Maschine, bei der dieser Stand der Technik grds. besteht, unbeaufsichtigt läuft. Der Wasserzulauf muss aber zeitnah zur Beendigung des Waschvorganges unterbrochen werden, d.h. technisch nicht erforderlicher Wasserdruck muss vermieden werden. Ähnlich das OLG Frankfurt am Main mit der Erwägung, dass eine Überspannung des Sorgfaltsmaßstabes angesichts der drohenden erheblichen Schäden nicht bestehe. iQ: das OLG Koblenz weist darauf hin, dass der Einbau eines sog. Wasserstopp zur Differenzierung nicht geeignet ist, und zwar mit der Erwägung, dass ein solcher den Wasseraustritt wegen der Fehlfunktion der Maschine evtl. gar nicht verhindern kann. Das ist nicht überzeugend, wenn und weil ein direkt am Wasserhahn angebauter Wasserstopp unabhängig von der Maschine - mechanisch - funktioniert. Entsprechend hält das OLG Frankfurt am Main (s.o.) den Ausschluss der groben Fahrlässigkeit bei Verwendung eines Wasserstopps "Aquastopp-System" für möglich. Dennoch sollte zur Erhaltung des Versicherungsschutzes (Hausrat/Haftpflicht) jedenfalls bei längerer Abwesenheit das Wasser besser abgestellt werden. | OLG Koblenz, 10 U 1124/99
OLG Frankfurt am Main 3 U 193/98 |
Wettrennen: Die Teilnahme an einem Wettrennen / "Überholduell" auf der Autobahn ist grob fahrlässig. | OLG Koblenz 5 U 1639/97; OLG Köln, 9 U 121/99 |
Zigarette 1:- Ein Autofahrer, der während der Fahrt nach einer herunter gefallenen brennenden Zigarettesucht und dazu die Fahrt nicht unterbricht, handelt grob fahrlässig. (siehe auch oben, Handschuhfach) | OLG Hamm, 20 U 155/99 |
Zigarette 2: Rauchen im Bett ist nach dem Aufwachennicht grob fahrlässig. Vor dem Einschlafen ist es aber grob fahrlässig. | OLG Düsseldorf, 24 U 77/98 |
Zigarette 3: ... dürfen kleine Kinder nicht - siehe oben | |
Zündschlüssel 1: Wer einer nicht im Besitz eines Führerscheins befindlichen Person den Zündschlüssel überlässt, damit die Person Autoradio hören kann, ist grob fahrlässig dafür verantwortlich, dass die Person den Schlüssel zu weit dreht, das Auto in Gang setzt und so einen Unfall verursacht. | AG Bremen, 16 C 0429/00 |
Zündschlüssel 2: Wer seine Jacke mit dem Zündschlüssel an der unbewachtenGarderobe eines Kirchenvorraums oder einer Gaststätte aufhängt, handelt grob fahrlässig. | AG Düsseldorf, 38 C 2444/00; LG Offenburg, 2 O 75/03 |
Zündschlüssel 3: Wer zur tiefen Nachtzeit anhält, um einer Person zu helfen, die kurz vor der Autobahnauffahrt aufgeregt winkend neben ihrem scheinbar mit einer Panne liegen gebliebenen Auto steht, handelt nicht grob fahrlässig, wenn er aussteigt und dabei den Zündschlüssel stecken lässt. Wer Pannenhilfe leisten will, muss nicht damit rechnen, dass er Opfer eines Tricks wird. (Nachdem der Fahrer ausgestiegen war, stürmten zwei Männer zu seinem Auto und fuhren damit weg. Als er sich zu der Frau, Mitglied des Gauner-Trios, wandte, fuhr auch diese gerade davon.) iQ: hinter dieser Entscheidung stehen rechtspolitische Erwägungen - bei einer Panne kann man verpflichtet sein zu helfen, siehe § 323c StGB. Steht, wie im Fall, eine Frau mitten in der Nacht alleine an einer Autobahnauffahrt, ist es also nicht nur eine Frage der Ehre, auszusteigen und zu helfen. Und bei der Wahrnehmung der allgemeinen Bürgerpflicht zur Hilfe kann es je nach Situation - z.B. bei Eilbedürftigkeit - durchaus passieren, dass man vergisst, den Schlüssel abzuziehen. Indem das Gericht dem Helfer dieses Risiko aus der Hilfeleistung abnimmt, stärkt es nicht nur dessen Position, sondern auch die der (potentiell) hilfsbedürftigen Person, weil die Hilfsbereitschaft natürlich sinkt, wenn sich herumspricht, dass man aus der Hilfeleistung nur Nachteile zu erwarten hat. Dennoch ist es besser, den Zündschlüssel nicht stecken zu lassen. Dafür spricht auch der oben angesprochene Einzelfallbezug der Entscheidungen. Wer anhält, um einem Mann am Tag auf der Landstraße bei einer Panne zu helfen, genießt wahrscheinlich - ebenso wie der "Profi"-Pannenhelfer vom Automobilclub - keinen "Helferbonus". | OLG Frankfurt am Main, 3 U 239/01 |
Zündschlüssel 4: Wer seinen Wagen mit dem Schlüssel im Zündschloss abstellt, handelt auch dann grob fahrlässig , wenn der Wagen in einer ländlichen Gegend auf dem Hof abgestellt und vom frei laufenden Hofhund bewacht wird. Darauf, dass solch argloses Verhalten in der Gegend üblich ist, kommt es nicht an. | LG Itzehoe, 1 S 157/03 |
Alle Angaben nach bestem Wissen, aber ohne Gewähr.
© iuraQuest 2003 - 2004