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Organisationspflicht und dezentralisierter Entlastungsbeweis OLG Stuttgart, 4 U 119/03
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Ich bin so gern im Freibad wo soll man sonst auch hin, wenn man frei hat? |
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nach J. v.d. Lippe |
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I. Die Kernaussage der Entscheidung des OLG: Der Betreiber eines Freibades genügt seiner Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich einer Wasserrutsche, wenn er ein Schild aufstellt, dem das Erfordernis eines Sicherheitsabstandes hinreichend klar zu entnehmen ist und die Rutsche durch eine geeignete Person - zwar nicht lückenlos, aber doch durchgängig - überwachen lässt. (Leits. des Verf.)
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II. Der Fall In einem Freibad war es an einer Wasserrutsche zu einem Unfall gekommen. Ein Badegast prallte im Auslauf der Rutsche derart auf den Kläger, dass dieser eines Zahns verlustig ging und an weiteren Zähnen Schäden erlitt. Der Kläger ging gegen die Betreiberin des Bades vor. Das von der Beklagten aufgestellte Hinweisschild sei ungenügend gewesen. Auf dem Schild hätte ein Mindestsicherheitsabstand angegeben sein müssen.
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III. Die Argumentation des OLG Eine Verkehrspflichtverletzung der Beklagten ist nicht gegeben. Die Tafel war inhaltlich ausreichend, weil sich der jeweils einzuhaltende Sicherheitsabstand aus den von jedem Benutzer selbständig zu bemessenden konkreten Umständen ergab, also nicht durchgängig festgelegt werden konnte. Allerdings musste die Beklagte die Gefahr eines Fehlverhaltens (einer Fehleinschätzung) durch Badbesucher dadurch reduzieren, dass sie eine ausreichende Überwachung des Bades durch Bestellung geeigneter Personen sicherstellte. Dieser Pflicht hatte sie durch Einsetzung eines Bademeisters genügt.
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IV. Anmerkung Die Entscheidung ist in Hinblick auf die Verkehrspflichten nicht sehr bedeutsam. Insoweit wird lediglich bestätigt, dass die Verkehrssicherungspflichten nicht zu absoluter Gefahrlosigkeit führen können.
Interessant ist die Entscheidung aber, weil sie nochmals deutlich macht, dass Verkehrs- bzw. Organisationspflicht und dezentralisierter Entlastungsbeweis parallel laufen bzw. eine Schnittmenge bilden: Besteht die deliktsrechtliche Pflicht, eine geeignete Person mit einer bestimmten Aufgabe zu betrauen, bedeutet dies eine Pflicht zur Dezentralisierung, d.h. zur Übertragung von Aufgaben vom Unternehmensträger auf untergeordnete Stellen bzw. Personen. Diese müssen, ganz wie beim dezentralisierten Entlastungsbeweis, ordentlich augewählt und angeleitet sowie ggf. überwacht werden. |
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Organisationspflicht |
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dezentralisierter Entlastungsbeweis |
Der Verkehrssicherungspflichtige hat das Risiko für den Verkehr so weit wie möglich zu reduzieren, indem er eine geeignete Person bestellt, um einen Gefahrenbereich zu überwachen |
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Der Geschäftsherr kann den Beweis fehlenden Eigenverschuldens i.S.d. § 831 Abs. 1, S. 2 BGB dadurch führen, dass er nachweist, einen seinerseits sorgfältig anleitenden und überwachenden höheren Angestellten ordnungsgemäß ausgewählt zu haben |
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d.h. eine |
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geeignete und ordentlich angewiesene sowie überwachte Person |
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sorgfältig ausgewählte und überwachte Person |
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überwacht ihrerseits |
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die Personen im Gefahrenbereich |
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die Verrichtungsgehilfen des Geschäftsherrn |
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für |
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den Verkehrssicherungspflichtigen |
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den Geschäftsherrn |
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Folge: |
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der Verkehrssicherungspflichtige haftet nicht |
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der Geschäftsherr haftet nicht für seine Gehilfen |
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CLM |
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