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Niederlassungsfreiheit von Daily Mail bis Inspire Art, Anmerkungen zum Aufsatz von Prof. Dr. Holger Altmeppen, NJW 2004, 97 ff. („Schutz vor „europäischen“ Kapitalgesellschaften“)

Disclaimer




Es bedarf keiner näheren Erläuterung, dass das der bare Unsinn ist!



Holger Altmeppen, aaO., S. 98






Die Hauptthese:


Aus dem Urteil Insipire Art kann nur hergeleitet werden, dass sich die Gründung einer Kapitalgesellschaft ausschließlich nach dem Recht des Gründungsstaates richtet. D.h. in einem Mitgliedstaat wirksam gegründete Kapitalgesellschaften sind in jedem anderen Mitgliedstaat der EU als wirksam gegründet anzuerkennen und dürfen nicht (zusätzlich) dem strengeren Gründungsrecht des Zuzugsstaates unterworfen werden.


Weiter gehende „erstaunliche Schlussfolgerungen“ (aaO., S. 98), etwa, dass das Kapitalerhaltungsrecht und das Kapitalersatzrecht nunmehr ebenso wenig gelte wie die Existenzvernichtungshaftung, seien falsch.




Die Argumente:


1. Wolle man für jede Gesellschaft nur noch das Recht des Gründungsstaates anwenden, müssten alle Richter in der EU alle (ab 1. Mai 2004) 25 Kapitalgesellschaftsrechtsordnungen studieren und anwenden. Dies sei „der bare Unsinn“ (aaO., S. 98), auch weil es angesichts der unterschiedlichen Konzepte (z.B. staatliche Aufsicht nach englischem Kapitalgesellschaftsrecht) nicht zu realisieren sei.



iQ: wenn Voraussetzung jeder richterlichen Entscheidung wäre, dass der Richter das entsprechende Recht studiert hat, wäre die Zahl richterlicher Entscheidungen angesichts der Unterschiede zwischen Studienordnungen und Praxis rar; soweit hingegen gemeint ist, dass bei der konkreten Entscheidung das Recht des jeweiligen Gründungsstaates angewendet werden muss, sind nicht vierundzwanzig, sondern nur eine zusätzliche Rechtsordnung zu studieren.


Genau davon, dass notfalls sogar mehr als 25 Rechtsordnungen beherrscht werden müssen, geht offenbar der deutsche Gesetzgeber der 15. Legislaturperiode aus, wenn er in der Begründung zum Entwurf des Bilanzkontrollgesetzes ausführt, dass bei "Unternehmen mit Sitz im Ausland ... darauf abzustellen [ist], welche Rechnungslegungsgrundsätze nach den gesetzlichen Vorschriften für diese maßgeblich sind" (Entwurf eines Gesetzes zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen, S. 25). Im deutschen amtlichen oder geregelten Markt gehandelte ausländische Unternehmen, d.h. auch solche von außerhalb der EU, sind hinsichtlich der Rechnungslegung also an ihren nationalen Maßstäben zu messen. Kommt es über eine solche Prüfung zum Streit, werden deutsche Gerichte dieses ausländische Recht (erst studieren, und dann) anwenden müssen. Siehe in diesem Zusammenhang auch die Entscheidung des BGH, II ZR 389/02, in der der BGH auf Basis von Art. XXV Abs. 5 Satz 2 des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages vom 29. Oktober 1954 (BGBl. II 1956, 487) amerikanisches Gesellschaftsrecht anzuwenden hatte.



Der portugiesische Richter beispielsweise brauche sich um das deutsche Recht nicht zu kümmern, weil eine deutsche GmbH ihren Sitz in Portugal gar nicht nehmen könne, ohne ihre Rechtsfähigkeit als deutsche GmbH zu verlieren.



iQ: zur Begründung der Sitztheorie beim Wegzug hier



2. Die englische Limited entspreche der deutschem GmbH. Daher sei deutsches Kapitalgesellschaftsrecht auf solche Kapitalgesellschaften mit tatsächlichem Verwaltungssitz in Deutschland anzuwenden. Aus der Niederlassungsfreiheit ergebe sich nicht, dass z.B. die Limited sämtliche deutschen Verhaltensregeln missachten dürfe. Nur soweit die Niederlassungsfreiheit betroffen sei, sei die Sitztheorie zugunsten der Gründungstheorie aufzugeben (aaO., S. 100/101).



iQ: dem ist im Ergebnis grds. beizupflichten; Bedenken bestehen aber, weil die konsequente Umsetzung dieses Arguments auch zur (analogen, angesprochen nur aaO., S. 102, re. Sp., 3. Abs. a.E.) Anwendung von §§ 84 Abs. 1, Nr. 2 i.V.m. 64 Abs. 1 GmbHG (für anwendbar erklärt aaO., S. 100, re. Sp., Abs. 3) führt, also zur Strafbarkeit bei nicht rechtzeitiger Insolvenzanmeldung. Dies ist jedoch gem. Art. 103 Abs. 2 GG ausgeschlossen.


Außerdem lässt sich entgegnen, dass das GmbHG - angesichts des Numerus clausus der Gesellschaftsformen und § 1 GmbHG - eine Sonderregelung für GmbH´s ist; Sonderregelungen sind aber grds. nicht analogiefähig. Insoweit ist die Argumentation etwas zu schlank.


Besser ist der Ansatz von Wilhelm, ZHR 167 (2003), 520, 540 ff., wonach sich der Vemögensschutz aus dem Bereicherungsverbot und dem Schädigungsverbot, d.h. aus allgemeinen - nicht notwendig auf deutsche Besonderheiten bezogenen - Prinzipien des Kaiptalgesellschaftsrechts ergibt.



3. Die Insolvenzverschleppungshaftung gelte, weil die entsprechende Gefahr für die Gläubiger sich in Deutschland verwirkliche und die deutschen Gläubiger zu Recht auf das deutsche Recht vertrauen dürfen (aaO., S. 100/101).



iQ: insoweit ist anzuführen, dass die deutschen Gläubiger - nach Ansicht des EuGH - bei einer ausländischen Gesellschaft, die in ihrer Firma einen entsprechenden Zusatz, z.B. Ltd., führt, gerade nicht ohne weiteres vertrauen dürfen, sondern mit Besonderheiten rechnen müssen, siehe Centros und Daily Mail.



4. Dass die Gesellschafter und Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft die Vermögensmasse nicht ruinieren dürfen, ist das „„Erste Gebot“ für Kapitalgesellschaften mit Sitz in Deutschland“, das sich aus dem Wesen der Kapitalgesellschaft ergibt. Dieses haben selbstverständlich auch EU-ausländische Kapitalgesellschaften zu beachten.

iQ: zur Haftung des Geschäftsführers bei Darlehen an Gesellschafter jüngst der BGH, Urt. v. 24. November 2003 - II ZR 171/01


iQ: dieser Argumentation ist uneingeschränkt zuzustimmen; nachdem hier mit dem „Wesen der Kapitalgesellschaft“ argumentiert wird, bestehen insbesondere auch keine Probleme mit der analogen Anwendung des GmbHG.



5. Zum Wesen der Kapitalgesellschaft gehört auch, dass einer werbenden Gesellschaft das als Stammkapital festgelegte Vermögen nicht entzogen werden darf.



iQ: insoweit gilt das unter 3. Gesagte; soweit §§ 30, 31 GmbHG (analog, aaO., S. 102, re. Sp., 3. Abs. a.E.) angewendet werden sollen, greifen allerdings die unter 2. vorgestellten Bedenken.



In der Schlussbetrachtung wird ausgeführt, dass Unternehmer, die eine Kapitalgesellschaft „noch nicht einmal mit 25000 Euro“ ausstatten wollen, in der „ernst zu nehmenden Wirtschaft“ (es soll hier angesichts des Desasters mit Toll Collect [= „Tolle Kollekte“, FAZ vom 24. 2. 2004, S. T2] offen bleiben, wie dieser Begriff zu definieren ist) keine Rolle spielen.


Dem ist zuzustimmen. Zu erwähnen ist noch der Aufwand, der z.B. mit dem Betrieb einer englischen Limited verbunden ist. Auch wenn die Gründung einer Limited auf den ersten Blick lohnenswert erscheint, und dies in Hinblick auf die Gründungskosten auch ist, sind auf lange Sicht doch nicht unerhebliche (Rechts)Beratungskosten hinsichtlich der - selbstverständlich - zu beachtenden ausländischen Rechtsnormen einzukalkulieren. Zumindest teilweise werden die Ersparnisse, ganz abgesehen von der Akzeptanz einer Limited am deutschen Markt, also wieder „aufgefressen“. Dies dürfte für manche Limited die wirksamste Hürde sein.

iQ: Anzeigen, wie

LIMITED statt GmbH gründen! Die clevere Alternative! Billig und schnell! ...

finden sich also durchaus nicht ohne Grund in der Nähe von solchen wie

Millionär/1 Jahr! Tel. ...

Wenn Du denkst, es GEHT nicht MEHR, EILEN wir daher. GMBH in NOT!!! ...

(FAZ vom 5. März 2004, S. 12).


CLM





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