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Die Haftung des Anlagevermittlers, BGH, 11. 9. 2003 - III ZR 381/02

 Disclaimer


Grau ist dieser Markt, weil sich auf ihm so viele schwarze Schafe mit weißen Westen tummeln.



ein Frankfurter Bankier*




 

I. Die Kernaussage der BGH-Entscheidung

Gibt ein Anlagevermittler Angaben des Kapitalsuchenden zur Sicherheit der Kapitalanlage an den Kunden weiter, trifft er eine eigene Aussage, für die er (aus Auskunfts- bzw. Haftungsvertrag) haftet.

Um die Haftung zu vermeiden, muss er ungefragt deutlich machen, dass die Angaben vom Kapitalsuchenden stammen und dass er sie nur - ungeprüft und als Aussage einer anderen Person - weiterreicht.

(Leits. des Verf.)

 


siehe auch BGH, 13. 1. 2000 – III ZR 62/99

II. Der Fall (bearb.)

Frau Ehrmann wollte 20.000 EUR anlegen. Dazu wandte sie sich an einen Anlagevermittler, Herrn Aal-Glatt. Dieser empfahl eine Beteiligung an der SnowBall GmbH.

Er legte Frau Ehrmann einen Beteiligungsantrag der SnowBall GmbH vor. In diesem hieß es: "Die SnowBall GmbH bestätigt, dass 91 % Ihrer Netto-Anlage-Summe nach Zahlungseingang abgesichert werden."

Herr Aal-Glatt bezog sich in seiner Anlageberatung ausdrücklich auf diesen Passus und warb für die Anlage mit dem Argument, dass das Risiko für die Anlegerin bei nur 9 % liege. Die Anlage sei sicher. Geprüft hatte er die Angaben der GmbH nicht.

Nach wiederholtem Verweis des Vermittlers auf die Sicherheit der Anlage erwirbt Frau Ehrmann ihren GmbH-Anteil für 20.000 EUR.

Etwas später gerät die SnowBall GmbH in Vermögensverfall. Im Zuge des Insolvenzverfahrens stellt sich heraus, dass die GmbH nach dem Muster sog. Schneeballsysteme betrieben wurde, also eine in jeder Hinsicht ungeeignete und alles andere als sichere Anlageform war.

Frau Ehrmann fordert nun Schadensersatz von Herrn Aal-Glatt wegen Falschberatung.

Ausgangs- und Berufungsgericht wiesen die Klage ab.

Die Revision zum BGH ist begründet und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.




 



















III. Die Argumentation des BGH

1. (II.2. d. Gründe) Zwischen dem Anlageinteressenten und dem Anlagevermittler kommt bei der Anlagevermittlung ein Auskunftsvertrag mit Haftungsfolgen zustande, wenn der Interessent deutlich macht, dass er die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers für eine bestimmte Anlage in Anspruch nehmen will.

Ein solcher Vertrag verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über die Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind.

2. (II.2. d. Gründe) Der Klägerin kam es erkennbar auf die Sicherheit der Anlage an, sodass insoweit von einem Vertragsschluss auszugehen ist.




iQ: der BGH unterscheidet zwischen Anlagevermittler (vermittelt Kenntnisse für eine bestimmte Anlageentscheidung) und Anlageberater (berät umfassend). Gleichwohl leistet auch der Vermittler Beratung, wenn und weil er eine bestimmte Anlage empfielt und damit nicht nur Fakten mitteilt (= Auskunft), sondern einen Rat gibt (= Beratung).

3. (II.3. d. Gründe) Der Beklagte hat die auskunftsvertragliche Pflicht, die Klägerin richtig und vollständig über die für den Anlageentschluss besonders bedeutsamen Umstände zu unterrichten, verletzt.

Er hat seiner Angabe zur Sicherheit der Anlage nicht hinzugefügt, dass er die Bonität der GmbH nicht geprüft hatte. Für die Klägerin lag nicht offen, dass der Beklagte die Angaben nur weiterreichte. Die Klägerin musste den uneingeschränkten Verweis auf die Angaben im Beteiligungsantrag vielmehr so verstehen, dass sich der (sachkundige) Anlagevermittler damit identifizierte und zuverlässige Kenntnis hatte. Mit dem uneingeschränkten Hinweis auf die Angaben im Beteiligungsantrag hat sich der Beklagte die Angaben der GmbH also zu eigen gemacht. Sind die Angaben - wie hier - falsch, haftet er aus dem Auskunftsvertrag.

4. (II.3. d. Gründe) Will der Anlagevermittler den Eindruck eigener, d.h. eigenverantwortlicher Angaben vermeiden, muss er sich entweder distanzieren, also offenbaren, dass er keine zuverlässige Kenntnis hat, oder er muss auf entsprechende Angaben verzichten.

 


 



iQ: zur „umgekehrten Parallelproblematik“ nicht sorgfältig geprüften anwaltlichen Rates mit der Folge der Nichtwahrnehmung von Möglichkeiten siehe hier



iQ: Ausgangs- und Berufungsgericht hatten die Klage mit dem Hinweis abgewiesen, dass der Vermittler nur fremde Aussagen weitergereicht habe, für die er nicht haftbar gemacht werden könne

IV. Offene Fragen

Der BGH konnte den Fall nicht selbst entscheiden. In den Tatsacheninstanzen war nicht geklärt worden, ob der Beklagte die Angaben zur Sicherheit der Anlage tatsächlich wie behauptet getätigt hatte. Auch war offen geblieben, ob der Beklagte die Klägerin, wie von ihm behauptet, darauf hingewiesen hatte, dass die Kapitalsicherheit i.H. 91% nur bei Bonität der GmbH bestehe.





iQ: Letzteres dürfte den Beklagten kaum entlasten. Wird die 91-prozentige Kapitalsicherheit wiederholt herausgestellt, und ist für den Vermittler erkennbar, dass die Anlageentscheidung ganz wesentlich auf der vermeintlichen Sicherheit der Anlage beruht, verblasst der Hinweis auf die Bonität der GmbH als Voraussetzung für diese Sicherheit.





 

 

 

Alle Angaben nach bestem Wissen, aber ohne Gewähr

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© iuraQuest 2003 

*nach Günter Ogger, Das Kartell der Kassierer, München 1994, S. 175.